Fahrgemeinschaften: Modellprojekt der Deutschen Umweltstiftung in Kahl, Mömbris und Schöllkrippen findet kaum Anklang
Main-Echo Pressespiegel

Fahrgemeinschaften: Modellprojekt der Deutschen Umweltstiftung in Kahl, Mömbris und Schöllkrippen findet kaum Anklang

Mobilitätstafeln vor dem Aus
Kahl/Mömbris/Schöllkrippen  Seit 21 Mo­na­ten läuft im Kahl­grund ein Mo­dell­pro­jekt: In Kahl, Möm­b­ris und Sc­höllkrip­pen hän­gen »Mo­bi­li­tät­s­ta­feln«. Sie sol­len es er­leich­tern, Fahr­ge­mein­schaf­ten zu bil­den. Gut für die Um­welt - doch die Ta­ge der Ta­feln sind man­gels Er­folgs ge­zählt. Warum das so ist? Die Ver­ant­wort­li­chen ha­ben meh­re­re Er­klär­un­gen.

Ende November und Anfang Dezember 2022 wurden sie feierlich eingeweiht: die »Mobilitätstafeln«. Erst war Kahl dran, dann Mömbris, schließlich Schöllkrippen. An prominenten Stellen im Ortszentrum hingen fortan robuste Bildschirme, an denen man sich unkompliziert anmelden konnte, um Fahrgemeinschaften zu bilden. Interessenten konnten Mitfahrgelegenheiten anbieten oder suchen. Entwickelt worden ist die Mobilitätstafel von der Deutschen Umweltstiftung (DUS) mit der Uni Kassel. Mitgewirkt haben aber auch viele Bürger - bei Workshops in den drei Gemeinden und in Begleitkreisen. Von ihnen waren auch einige Erweiterungen des Projekts angeregt worden.

Beispielsweise kann man nun auch anfragen, ob jemand bei seiner Fahrt in den Nachbarort etwas mitbringen kann. Möglich ist es auch, sich zu Veranstaltungen zu verabreden, also etwa zur gemeinsamen Fahrt ins Kino oder Theater. Zu guter Letzt können, unabhängig von gemeinsamen Fahrten, auch Hilfsangebote eingestellt werden. Das Ganze funktioniert aber nicht nur an den drei Tafeln, sondern auch im Netz auf der Seite https://www.kahlgrund.mobitafel.de und über eine eigene App.

Das Interesse an der Tafel hält sich indes in Grenzen. Ruft man die Tafel auf - Stand: 24. August - werden dort sechs regelmäßige Fahrten angeboten und eine gesucht. Beispielsweise fährt jemand jeden Mittwoch um 8.30 Uhr vom Kahler Wasserturm nach Johannesberg. Einzelfahrten werden aktuell keine angeboten, es sind auch keine Veranstaltungen oder Hilfsangebote zu finden. Auch mitbringen lassen will sich derzeit niemand etwas.

Fragt man bei Michael Golze von der Deutschen Umweltstiftung nach, bestätigt sich dieser Eindruck. Er hat die Zahlen für alle drei Tafeln zusammen: 280 Nutzer seien registriert. Es seien 80 Fahrten angeboten worden, 30 Mitfahrgelegenheiten seien gesucht worden. Seit der Aufstellung der Tafeln seien zudem 70 Veranstaltungen hinterlegt worden.

Wie viele gemeinsame Fahrten tatsächlich zustande gekommen sind, lässt sich aber nicht sagen. Ob Angebot und Nachfrage zusammenkommen, wird nicht registriert. Umgekehrt kann es natürlich auch passieren, dass es gemeinsame Fahrten gibt, die nicht über die Tafel laufen: Wenn etwa zwei Menschen sich für eine erste Fahrt über die »Mobi-Tafel« treffen, die zweite dann aber einfach untereinander absprechen.

Für das erste Jahr sei dieses Ergebnis »einigermaßen«, sagt Golze. Die Finanzierung für das Modellprojekt lief eigentlich nur für ein Jahr. Die drei Kahlgrund-Gemeinden haben aber entschieden, es vorerst noch ein weiteres Jahr weiterlaufen zu lassen. Danach ist die Zukunft der »Mobi-Tafeln« aber höchst ungewiss. In Mömbris etwa ist die Tafel schon zwei Mal Opfer von Vandalen geworden. Nach dem ersten Mal wurde sie noch repariert, nach dem zweiten Mal nicht mehr - da das Projekt ohnehin zum Jahresende auslaufe, hieß es in einer Gemeinderatssitzung im Juni.

Stefan Merget, Geschäftsleiter im Mömbriser Rathaus, findet es »sehr schade«, dass die Tafel nicht mehr Anklang gefunden hat. »Schließlich steckt da viel Man-Power dahinter.« Woran das liegt, kann auch er nur vermuten. »Vielleicht ist einfach nicht so die Bereitschaft da, Fahrgemeinschaften zu bilden.« Im Alltag sei das Verfahren wenig praktikabel. Er selbst habe eine Mitfahrgelegenheit angeboten für regelmäßige Fahrten nach Mömbris - da habe sich nie jemand gemeldet. »Vielleicht sind manche auch nicht so begeistert, wenn jemand bei ihnen mit im Auto sitzt«, mutmaßt er - und dann sei da einfach noch »die Bequemlichkeit«.

Merget weiß, dass bei keiner Gemeinde die Bereitschaft bestehe, das Projekt auf eigene Kosten weiterzuführen, weil es eben nicht so angenommen werde.

Lisa Horlebein, im Kahler Rathaus zuständig für die Themen Umwelt und ÖPNV, berichtet, dass es seitens der Bürger keine Rückmeldungen wegen der Tafel bei ihr gegeben habe. Immerhin, anders als in Mömbris: »Unsere anfängliche Befürchtung, es werde Vandalismus geben, hat sich nicht bewahrheitet.« Ob das Projekt nach dem Ende dieses Jahres von der Gemeinde weiter finanziert werde - das müsse man schauen.

Für »sicher noch ausbaufähig« hält Thomas Büttner, der zweite Bürgermeister von Schöllkrippen, die Nutzung der Mobi-Tafel im dortigen Rathausgarten. Beschädigungen gebe es zwar keine, auch deshalb, weil der Bereich kameraüberwacht sei. Doch die Nutzung ist überschaubar. Büttner hat mehrere Gründe dafür gefunden: Zum einen gebe es auch über das Handy die Möglichkeit, Mitfahrgelegenheiten zu finden, und zwar einfacher als über die Tafel. Zum anderen sei gerade Schöllkrippen gut über den ÖPNV vernetzt, etwa mit dem Expressbus.

Michael Golze dagegen bleibt optimistisch. Es brauche einfach kontinuierliche Werbung, damit sich das Konzept etabliere, meint er. »Wir brauchen einen Wandel in der Mobilität.« Derzeit liefen Gespräche mit den Kommunen wegen der weiteren Finanzierung. Allerdings weiß auch er: »Fast alle Gemeinden sind klamm bei Kasse.«

 
Hintergrund: Projekt der Deutschen Umweltstiftung

Die Mobilitätstafel ist ein Projekt der Deutschen Umweltstiftung, das den Namen "Green" trägt. Neben den drei Gemeinden im Kahlgrund ist auch Netzschkau in Sachsen beteiligt. Dort allerdings ist das Bild ähnlich wie im Kahlgrund: Klickt man auf die dortige Homepage, werden keinerlei Fahrten, Hilfsangebote oder Veranstaltungen angeboten. Seit ihrer Gründung 1982 hat die Deutschen Umweltstiftung über 300 Projekte gefördert - beispielsweise Schulpflanzaktionen, "EcoCrowd" als Plattform für nachhaltiges Crowdfunding, die Aktion "Suffizienzdetektive" in den Schulen, bei der Schüler Ideen zum Ressourcensparen entwickeln, oder auch der "Kauf-Nix-Tag", eine Art Gegenveranstaltung zum "Black Friday.

26.08.2024
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